Nicht nur schwarz oder weiß...

Was hat die Gattung der Roséweine doch für eine prächtige Entwicklung in den letzten zehn Jahren hingelegt! Es ist wahrlich nicht mehr zu spaßen damit. Man steht jetzt dazu, wenn man Rosé liebt. Auch meine Fachkollegen trinken immer öfter pink – ohne die Stirn zu runzeln! Man kann inzwischen sagen: Rosé ist spannend, ist gut, ist wichtig in der Weinwelt! Ganz ohne rosarote Brille. Die Zeiten sind scheinbar längst vorbei, als Roséweine größtenteils zweitklassige «verhinderte Rotweine» waren. Ja, die Winzer neigten lange dazu, nur die minderwertigere Lese für die Rosé Kelterung zu verwenden. Aber seit nun schon einigen Jahren, kommt kaum noch einer drum herum, diese Weingattung ernst zu nehmen! Die Nachfrage ist auf der ganzen Welt in ungeahnte Höhen geschossen. Auch in Österreich ist der Trend angekommen, wo wir den internationalen Vergleich nicht mehr zu scheuen brauchen.

Die südfranzösische Revolution

Das Epizentrum des nicht enden wollenden Rosé-Booms ist nicht zuletzt auch die historische Wiege des «echten Roséweins», also jenem der aus roten Trauben gewonnen wird. Es ist die Provence, wo seit jeher immer wieder die Besten dieser Art gemacht werden. An der Côte d´Azur hat man das Thema eben nie auf die leichte Schulter genommen.

Den Franzosen war immer klar, dass man kaum einen anderen Weintyp so vielschichtig einsetzen kann. Nicht nur als erfrischenden Drink am Pool oder als animierenden Aperitif, sondern auch als Allround-Talent in der Speisenbegleitung. Und zwar das ganze Jahr über!

Völlig nachvollziehbar, vereint ein Rosé doch das Beste aus zwei Genusswelten. Er hat die saftige Frucht und die warme Würze der roten Trauben, aber ist nicht ganz so kraftvoll und beschwerend wie ein Rotwein. Hinzu kommt die erfrischende Säure, die man sonst eher mit Weißweinstilen assoziiert. So vermag der Rosé, sowohl Weiß- als auch Rotweinliebhaber in seinen Bann zu ziehen.

→ Apropos «echter Roséwein»:

Im antiken Griechenland hat man tatsächlich noch rote und weiße Trauben gemischt und mit Wasser verdünnt, um einen leichten rosafarbenen Wein zu erzeugen. Ohne Verwässerung gibt es das heute noch, wenn auch sehr selten, heißt dann aber nicht Rosé sondern Rotling. Dafür müssen die bunten Trauben zusammen gekeltert werden, ein Verschnitt von separat vinifizierten Rot- und Weißweinen ist in der EU mit wenigen Ausnahmen verboten.

Die gängigste Herstellungsmethode heutzutage ist zum einen das direkte Abpressen der unzerkleinerten roten Trauben um ein sehr helles Rosa oder sogar einen weißen Wein zu erhalten. Zum anderen, für tiefere Rosés, werden die Trauben eingemaischt. Doch während diese für den Rotwein einige Woche auf der Maische verbringen, um die ganze Farbe zu extrahieren, braucht es beim Rosé nur Stunden oder Tage. Dann presst man entweder die ganze Maische für die Roséproduktion ab, oder man lässt nur maximal ein Fünftel des Saftes dafür ab, um mit dem Rest der Maische weiter im Rotweinprotokoll zu verfahren.

Drink pink - think pink!

Falls Ihnen nun klar wird, dass Sie all die Jahre über ein falsches Bild von Roséweinen und ihrer Herstellung hatten, so ist es noch nicht zu spät! Mit dem Wissen, dass es sich nicht um eine Panscherei von weiß und rot handelt, können Sie sich ja doch noch mal auf die Sache einlassen. Ich will es Ihnen zumindest ans Herz legen. Denn Rosé, Sie werden es bald merken, kann mehr sein als nur ein Wein, es kann ein Lebensgefühl sein! Denken Sie noch einmal an die Provence. An das azurblaue Meer, die salzige Luft, die duftende Felder mit blühendem Lavendel!

Im Sommer ist es ein Glas im Urlaub, im Winter ist es Urlaub im Glas. Cheerio!

Ihr Sommelier Olivier

PS: Man sagt dem Rosé auch eine besonders aphrodisierende Wirkung nach. Im folgenden Artikel «Rosé wie die Liebe» habe ich für Sie ein paar charmante Weine zusammengestellt, die betörend duften, nahezu schwerelos anmuten und die Genießer zum Lächeln bringen 😃